themarket.ch/interview/joerg-wuttke-wir-werden-einen-auto-tsunami-aus-china-erleben-ld.10037
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Indien wird momentan noch überschätzt.
Ich fürchte, um den Präsidenten herum ist eine sehr enge Echokammer entstanden, in die die Realität weniger gut durchdringt, als sie sollte.
Die Stimmung ist nicht gut.
Man hat in den vergangenen Monaten oft gelesen, dass 20 bis 25% der Wirtschaftsleistung in China am Immobilienmarkt hingen. Das stimmt, aber wichtiger ist die Tatsache, dass gut 65% der Vermögen der privaten Haushalte in Immobilien stecken. In Amerika sind es 25%. Das heisst, wenn die Immobilienpreise sinken, haut das sofort in die Konsumentenstimmung rein. Gibt es da eine baldige Erholung? Nein. Wird es noch schlimmer? Ich hoffe, nicht. Die beste Aussicht ist, dass es flach bleibt.
China zählt etwa 4000 kleine Banken, die zusammen rund 50% des Bankwesens darstellen. Die leiden heftig unter der Krise. Auf der anderen Seite stehen fünf grundsolide Grossbanken. Denen geht es gut. Ich sehe deshalb nicht die Gefahr einer Lehman-artigen Krise im chinesischen Bankensystem.
China wird nicht kollabieren, aber die Wirtschaft wird künftig noch mit 2 bis 3% pro Jahr wachsen
13% der Menschen sind heute über 65 Jahre alt, im Jahr 2050 werden es 30% sein.
Präsident Xi Jinping hat klar signalisiert, dass er keinen Wohlfahrtsstaat haben will. Er will nicht, dass die Chinesen so «faul» werden wie die Europäer. Seine ganze Sprache ist aufgebaut nach dem Motto, dass die Menschen den Gürtel enger schnallen und Selbstverantwortung übernehmen sollen.
Man muss dem Präsidenten zugutehalten, dass er das sagt, was er denkt, und das durchführt, was er sagt. Er ist ein Kommunist. Er erwähnte in seiner Rede vor dem letzten Volkskongress das Wort «Marx» dreissig Mal und das Wort «Markt» fünfzehn Mal. Das sagt alles.
Ein Boomsektor momentan sind die Automobilexporte. In den letzten Jahren sind in China Kapazitäten für die Produktion von 50 Mio. Autos – Verbrenner und Elektroantrieb – pro Jahr entstanden. Die inländische Nachfrage absorbiert etwa 23 Mio. Autos pro Jahr. Das heisst, es bestehen Produktionskapazitäten von etwa 27 Mio. Fahrzeugen pro Jahr, die exportiert werden.
Ab 2025, wenn diese Frachter einsatzbereit sind, werden wir einen Auto-Tsunami aus China heraus erleben. Das wird im Automobilsektor einen brutalen Verdrängungskampf und Preiskrieg geben.
Wir haben in Europa aber ein Dilemma: Wollen wir Schutzmauern gegen grüne Technologien hochziehen, obwohl wir praktisch beschlossen haben, den Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbannen?
Mit E-Autos verhält es sich ähnlich wie im Bereich Solar- oder Windenergie, wo die Chinesen ebenfalls dominant sind. Wollen wir den Klimawandel angehen mit chinesischen Produkten, oder wollen wir sie besteuern?
Das ist im Grunde die einzige Lösung, die ich sehe. Dass wir die Chinesen zu uns holen und sie uns helfen, unsere Lieferketten aufzubauen.
Indien wird erst in den Dreissigerjahren die Lücke allmählich schliessen, dann wird die Indien-Story richtig spannend. Aber heute gibt es auf der Welt kein zweites China.
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